Canopy Growth in der Krise: Droht dem Cannabis-Pionier die Pleite?

Die Zukunft des kanadischen Cannabis-Produzenten Canopy Growth steht auf dem Prüfstand. Einst als Vorreiter der legalen Cannabisindustrie mit Milliardeneinnahmen gefeiert, steckt das Unternehmen inzwischen in einer tiefen Krise. Der Aktienkurs ist in den vergangenen Jahren dramatisch abgestürzt; allein in den letzten zwölf Monaten um rund 69 Prozent. Viele Anleger fragen sich, ob Canopy Growth kurz vor der Pleite steht. Ist der ehemalige Marktführer akut von der Insolvenz bedroht, oder gelingt die Wende in letzter Minute? Dieser Artikel beleuchtet die aktuelle Situation, Stand Oktober 2025, und geht der Frage nach, ob Canopy Growth Zahlungsprobleme hat und wie real die Pleitegefahr tatsächlich ist.
Absturz eines Cannabis-Pioniers
Canopy Growth galt lange als Aushängeschild der boomenden Cannabisbranche. Nach der Legalisierung von Cannabis in Kanada im Jahr 2018 stieg die Firma zum wertvollsten Cannabis-Unternehmen der Welt auf, unterstützt durch milliardenschwere Investments, etwa vom Getränkekonzern Constellation Brands. Der anfängliche Hype wich jedoch der Ernüchterung. Überkapazitäten im kanadischen Markt, Verzögerungen bei neuen Produkten und ausbleibende Gewinne ließen die Aktie einbrechen. Bereits 2020 musste das Management einräumen, dass Profitabilitätsziele verfehlt wurden. In den Folgejahren verschärfte sich die Lage weiter, 2023 verlor der Aktienkurs über 80 Prozent an Wert. Dieses Kursdesaster spiegelt das gebrochene Vertrauen der Investoren wider und sorgt für schwierigere Kapitalbeschaffung, ein Teufelskreis für ein defizitäres Unternehmen.
Auch 2024 setzte sich der Abwärtstrend fort. Ende des Jahres notierte die Aktie nahe Allzeittief; seit April 2024 hatte sie nochmals deutlich an Wert verloren. Beobachter konstatierten, dass es bei den Papieren lange Zeit kein Licht am Ende des Tunnels gab. Angesichts dieser Talfahrt stellte sich bereits damals die Frage, ob beim Cannabis-Produzenten bald die Lichter ausgehen, sprich ob eine Insolvenz abgewendet werden kann. Der dramatische Wertverlust zeigte: Der Kapitalmarkt zweifelte zunehmend an der Zukunftsfähigkeit des Unternehmens.
Finanzielle Schieflage und Warnsignale
Die finanzielle Lage von Canopy Growth war zuletzt angespannt. Hohe operative Verluste und ein massiver Cash-Burn setzten der Bilanz zu. In den Jahren 2022 und 2023 häufte Canopy hunderte Millionen Dollar Verlust an und verbrauchte schnell seine Barmittel. Bereits Mitte 2023 sah sich das Management gezwungen, in offiziellen Berichten Zweifel an der Fortführungsfähigkeit, also am Going Concern, anzumelden. Prüfer warnten, das Unternehmen könne ohne frisches Kapital möglicherweise nicht mehr ein Jahr weiter wirtschaften. Zeitgleich setzte ein Broker das Kursziel der Aktie zeitweise auf null. Das war ein drastisches Alarmzeichen, das die akute Insolvenzgefahr unterstrich. Canopy Growth gab offen zu Protokoll, dass zusätzliche Finanzierung nötig sei, um den Geschäftsbetrieb aufrechtzuerhalten. Diese Warnsignale erschütterten das Vertrauen zusätzlich.
Ein Blick auf die Kennzahlen erklärt die Sorge. Ende September 2024 verfügte Canopy Growth nur noch über rund 230 Millionen US-Dollar an liquiden Mitteln, während der Free Cashflow im selben Quartal bei minus 54 Millionen US-Dollar lag. Mit diesem Abfluss wäre die Kriegskasse in etwa einem Jahr erschöpft gewesen. Ohne Gegenmaßnahmen drohte spätestens 2025 oder 2026 ein finanzieller Kollaps. Entsprechend schätzten Marktbeobachter die Insolvenz-Wahrscheinlichkeit in den kommenden ein bis drei Jahren in einer Spanne, die als mittel bis hoch gelten musste. Canopy Growth befand sich an einem kritischen Wendepunkt, an dem schnelle und tiefgreifende Veränderungen nötig waren, um das Ruder herumzureißen.
Kampf ums Überleben: Der Sanierungsplan
Verkauf von Unternehmensteilen und Vermögenswerten
Canopy trennte sich von verlustbringenden Randgeschäften. Besonders die Sportgetränke-Tochter BioSteel erwies sich als finanzielles Fiasko, sie verursachte monatlich zweistellige Millionenbeträge an Cash-Abfluss und wurde im Herbst 2023 unter Gläubigerschutz gestellt. Ein Gericht genehmigte schließlich den Verkauf von BioSteel Canada und der US-Tochter, was zukünftige Verluste stoppte und die Bilanz entlastete. Zudem verkaufte Canopy mehrere Betriebsstätten und Immobilien, unter anderem das Werk am Hershey Drive in Smiths Falls, um dringend Geld einzunehmen. Allein zwischen April und September 2023 erzielte das Unternehmen durch Asset-Verkäufe dreistellige Millionenbeträge in kanadischen Dollar. Das Management betonte, diese Verkäufe ermöglichten es, den Fußabdruck effizient zu verkleinern und die finanzielle Position zu stärken.
Kostensenkungen und Personalabbau
Canopy reduzierte drastisch die Ausgaben. Nicht rentable Geschäftsbereiche, etwa bestimmte internationale Märkte und stationäre Läden, wurden aufgegeben. Hunderte Mitarbeiter mussten gehen. Im Rahmen einer umfassenden Restrukturierung wurde ein jährliches Kosteneinsparziel von 20 Millionen kanadischen Dollar ausgegeben. Bis Oktober 2025 waren davon bereits 17 Millionen realisiert, mehr als 80 Prozent des Ziels. Diese Kostendisziplin zeigte Wirkung, die Verwaltungsaufwendungen sanken in den jüngsten Quartalen deutlich gegenüber dem Vorjahr.
Schuldenabbau und Umschuldung
Trotz klammer Kassen versuchte Canopy, die Schuldenlast aktiv zu verringern, um Zinskosten und Tilgungsdruck zu senken. Im Oktober 2025 meldete das Unternehmen die vorzeitige Rückzahlung von 100 Millionen US-Dollar vorrangiger besicherter Kredite. Dieser Schritt verschafft dem Konzern Luft bis mindestens Dezember 2026, so lange sind die nächsten größeren Rückzahlungen nun nicht fällig. Insgesamt konnte die Gesamtverschuldung im Geschäftsjahr 2025 um nahezu die Hälfte reduziert werden. Die Zinsaufwendungen sinken dadurch spürbar. Die Entschuldungsstrategie ist nicht ohne Risiko, sie zehrt an der ohnehin knappen Liquidität, soll aber das Überleben mittelfristig sichern.
Strategiewechsel und Fokussierung auf Kernmärkte
Parallel zum Sparprogramm stellte Canopy die geschäftliche Ausrichtung neu auf. Der teure Ausflug in branchenfremde Bereiche wie Getränke und Wellness wurde beendet, stattdessen konzentriert man sich wieder auf das Kerngeschäft Cannabis. Insbesondere der wichtige US-Markt rückt in den Fokus. Obwohl Cannabis in den USA bundesweit noch nicht legal ist, hat Canopy Growth mittels einer Holdingstruktur namens Canopy USA Übernahmen eingefädelt, um sich dort zu positionieren. Im Oktober 2025 wurde die vollständige Übernahme des US-Edibles-Herstellers Wana Brands abgeschlossen. Zusammen mit der bereits mehrheitlich erworbenen Vape-Marke Jetty und der geplanten Übernahme des Anbauers Acreage Holdings baut Canopy ein eigenes Ökosystem für den US-Markt auf, in Vorbereitung auf eine mögliche Legalisierung. Das Management betont, diese Strategie sei darauf ausgelegt, auch ohne baldige bundesweite Legalisierung tragfähig zu sein. Auf Produktseite gibt es eine Neuausrichtung, neue margenstarke Angebote wie hochpotente Deep Space Pre Rolls wurden lanciert, um im Premium-Segment zu punkten. Zudem setzt Canopy verstärkt auf medizinisches Cannabis sowie Technologie, etwa die deutsche Vaporizersparte Storz und Bickel, die in regulierten Märkten bereits profitabel arbeitet.
Wechsel in der Führungsetage
Die Sanierung ging mit personellen Veränderungen einher. Anfang 2025 übergab der langjährige CEO David Klein das Ruder an Luc Mongeau, einen erfahrenen Manager aus der Konsumgüterbranche. Bereits 2024 war der Vorstand umgebaut und das Management-Team verbreitert worden, um frische Expertise in der Krise zu gewinnen. Im Juli 2025 stieß zudem Tom Stewart als neuer Finanzchef hinzu. Dieses Führungsduo soll den Turnaround konsequent vorantreiben. Die vertrauensbildende Maßnahme war dringend nötig, denn die verschobene Hauptversammlung im September 2025, als wegen zu geringer Aktionärsbeteiligung kein Quorum erreicht wurde, hatte das Management in keinem guten Licht dastehen lassen. Im zweiten Anlauf wurden die notwendigen Beschlüsse dann gefasst.
Aktuelle Entwicklung 2025: Lichtblick oder falsche Hoffnung?
Die Umsetzung des Sanierungsplans zeigt erste Ergebnisse. Operativ scheint Canopy Growth den absoluten Tiefpunkt hinter sich zu lassen. So legten die Umsätze in einigen Kernbereichen zuletzt wieder zu. Im jüngsten Quartal stiegen die Cannabis-Erlöse insgesamt spürbar gegenüber dem Vorjahr, im kanadischen Freizeitmarkt sogar deutlich. Gleichzeitig konnten durch den Sparkurs die Verluste reduziert werden. Im vierten Quartal des Geschäftsjahres 2025 lag der operative Verlust, bereinigt, nur noch bei rund 18 Millionen kanadischen Dollar, eine Verbesserung um deutlich über 80 Prozent gegenüber dem Vorjahresquartal. Das Management zeigt sich zuversichtlich, in den kommenden Quartalen ein positives bereinigtes EBITDA zu erreichen. Gelingt dies, wäre das ein wichtiger Meilenstein auf dem Weg aus der Verlustzone.
Auch auf der Liquiditätsseite gab es jüngst einen Lichtblick. Durch Asset-Verkäufe und kleinere Kapitalmaßnahmen kletterte der Kassenbestand bis Ende September 2025 wieder auf gut 230 Millionen US-Dollar, nach rund 195 Millionen im Juni. Diese Finanzspritze verschafft kurzfristig Luft. Kombiniert mit der erwähnten Schuldentilgung, die große Rückzahlungen bis 2026 vom Tisch nimmt, ist die unmittelbare Insolvenzgefahr gesunken. Der finanzielle Spielraum bleibt allerdings eng. Canopy wird weiterhin auf zusätzliche Mittel angewiesen sein, falls die angestrebte Profitabilität nicht zeitnah erreicht wird. Spätestens 2025 oder 2026 bräuchte das Unternehmen andernfalls neues Geld, was ohne deutlich höheren Aktienkurs nur durch weitere Verwässerung oder den Verkauf von Geschäftsanteilen möglich wäre, beides für bestehende Aktionäre schmerzhaft.
An der Börse honorierten Anleger die jüngsten Nachrichten verhalten optimistisch. Im Oktober 2025 sprang der Aktienkurs zeitweise merklich nach oben, als bekannt wurde, dass die Hauptversammlung im zweiten Anlauf beschlussfähig war und alle vorgeschlagenen Maßnahmen abgesegnet wurden. Die Marktkapitalisierung erholte sich damit auf einen mittleren dreistelligen Millionenbetrag in kanadischen Dollar. Das ist immer noch ein Bruchteil früherer Werte, aber ein Indiz dafür, dass man Canopy Growth den Turnaround nicht völlig abspricht. Dennoch bleibt die Lage fragil. Positive Quartalszahlen und weitere Fortschritte sind nötig, um verlorenes Vertrauen zurückzugewinnen. Der Veröffentlichung der Q2-Zahlen im November 2025 kommt große Bedeutung zu. Dort muss Canopy zeigen, dass der Kurswechsel nachhaltig Früchte trägt.
Branchenflaute und Ausblick
Ein wichtiger Faktor für Canopy Growths Schicksal ist das schwierige Branchenumfeld. Die gesamte Cannabisindustrie befindet sich seit Jahren in einer Konsolidierungs- und Krisenphase. Überkapazitäten in Kanada, Preisverfall bei Cannabisblüten und eine schleppende Legalisierungsdynamik in den USA haben viele Firmen in die roten Zahlen gedrückt. Investoren meiden Cannabis-Aktien derzeit weitgehend, zu riskant erscheinen die Geschäftsmodelle ohne klare Aussicht auf rasche Gewinne. Die Aussichten für die gesamte Cannabis-Industrie galten lange als wenig rosig. Ohne klare Fortschritte bei der Regulierung in den USA hielten viele Anleger Abstand. Diese Zurückhaltung am Kapitalmarkt erschwert Canopys Sanierung zusätzlich, weil frisches Eigenkapital nur zu sehr gedrückten Bewertungen zu beschaffen wäre.
Es existieren dennoch Hoffnungsschimmer, die Canopy Growth helfen könnten. In den USA wurden in den vergangenen Jahren Schritte diskutiert, Cannabis auf Bundesebene von der strengsten Liste der verbotenen Substanzen herunterzustufen. Zwar ist die vollständige Legalisierung weiterhin ungewiss, doch schon eine Neuklassifizierung könnte den Markt öffnen, etwa für Bankenfinanzierung. Das würde großen Playern Rückenwind geben. In Deutschland und Europa wiederum schreitet die Liberalisierung langsamer voran als erhofft. Immerhin hat Deutschland 2023 einen ersten Schritt zur Teil-Legalisierung unternommen, etwa durch Cannabis-Clubs und Modellprojekte, was die Perspektiven etwas verbessert. Canopy ist in Deutschland über medizinisches Cannabis und die Vaporizersparte Storz und Bickel aktiv, letzteres Segment verzeichnete dank regulatorischer Reformen hierzulande starkes Wachstum. Solche Nischen könnten dem Unternehmen helfen, sich über Wasser zu halten, bis größere Märkte profitabel werden.
Am Ende wird Canopy Growth jedoch vor allem aus eigener Kraft den Turnaround schaffen müssen. Das Geschäftsmodell muss beweisen, dass es nachhaltig profitabel sein kann, und zwar auch ohne rasche Gesetzesänderungen. Die bisherigen Maßnahmen, Kostensenkung, Fokussierung und Schuldenabbau, gehen in die richtige Richtung und haben vermutlich Schlimmeres verhindert. Doch der Weg zurück in die Gewinnzone ist steinig. Canopy muss die Cash-Burn-Rate weiter reduzieren und den verbleibenden Barmittelbestand klug einsetzen. Gelingt es in den nächsten Quartalen, zumindest ein ausgeglichenes Ergebnis zu erzielen und anschließend kleinere Gewinne, dürfte die Pleitegefahr deutlich sinken. Andernfalls könnte die Zeit ab 2026 knapp werden, wenn neue Mittel benötigt werden.
Fazit: Wie groß ist die Pleitegefahr?
Nach aktueller Informationslage im Herbst 2025 ist Canopy Growth nicht pleite, und kurzfristig droht auch kein unmittelbarer Insolvenzantrag. Durch harte Einschnitte und aktives Schuldenmanagement konnte sich der Konzern zunächst stabilisieren und entscheidende Zeit gewinnen. Die liquide Reserve ist zwar begrenzt, aber ausreichend, um die nächsten Quartale zu überbrücken. Akut zahlungsunfähig ist Canopy somit nicht. Positive operative Trends, steigende Umsätze und sinkende Verluste, nähren die Hoffnung, dass die Talsohle durchschritten sein könnte.
Von einer Entwarnung kann jedoch keine Rede sein. Das Insolvenzrisiko bleibt real. Sollten sich die erwarteten Verbesserungen nicht materialisieren, steht das Unternehmen spätestens 2026 vor der Frage, wie es frisches Kapital erhält. Weitere Verwässerungen der Aktien oder Notverkäufe wären dann wahrscheinlich. Zudem hängt vieles von externen Faktoren ab, etwa der Marktentwicklung und möglichen Legalisierungsschritten. Zusammengefasst lautet die Kernaussage: Canopy Growth ist derzeit nicht zahlungsunfähig und kämpft mit allen Mitteln gegen die Pleite. Das Unternehmen hat drastische Schritte unternommen und erste Erfolge erzielt, doch es ist noch ein langer Weg zur finanziellen Gesundheit. Die Pleite konnte vorerst abgewendet werden, gebannt ist die Gefahr aber noch nicht. Ob Canopy Growth den Kopf aus der Schlinge ziehen kann, wird sich in den nächsten zwölf bis achtzehn Monaten zeigen.



