Wie das Gesundheitswesen Stück für Stück digitalisiert wird

Das deutsche Gesundheitswesen befindet sich mitten in einer digitalen Transformation. Wo früher Faxgeräte und Papierakten dominierten, halten heute elektronische Patientenakten, E-Rezepte und Videosprechstunden Einzug in den medizinischen Alltag. Doch dieser Wandel geschieht nicht über Nacht – stückweise werden neue Technologien eingeführt und bestehende Prozesse digitalisiert. In diesem Artikel werfen wir einen Blick darauf, wie sich das Gesundheitswesen bis 2025 Schritt für Schritt digitalisiert hat, welche Meilensteine erreicht wurden und welche Herausforderungen noch bestehen. Dabei beleuchten wir alle Facetten dieser Entwicklung – von gesetzlichen Weichenstellungen über neue digitale Angebote bis hin zu Chancen, Risiken und der Frage, was Patient:innen und Ärzt:innen konkret davon haben.
Der lange Weg zur digitalen Gesundheit
Deutschland galt lange als Nachzügler bei der Digitalisierung des Gesundheitswesens. Während in anderen Lebensbereichen digitale Services selbstverständlich wurden, blieben viele Arztpraxen hierzulande bis vor kurzem bei Papierformularen und physischen Patientenakten. Doch seit Mitte der 2010er-Jahre wurden die Grundlagen für einen Wandel gelegt. Eine Reihe von Gesetzen schuf den Rahmen für digitale Lösungen: Das E-Health-Gesetz von 2015/2016 etwa ebnete den Weg für den Aufbau der Telematikinfrastruktur – ein sicheres Netzwerk, das Praxen, Kliniken, Apotheken und weitere Akteure verbindet. Darauf folgten das Digitale-Versorgung-Gesetz 2019 (u.a. Apps auf Rezept) und das Patientendaten-Schutz-Gesetz 2020, welches Anwendungen wie die elektronische Patientenakte (ePA) und das E-Rezept rechtlich auf den Weg brachte. Zudem wurde mit dem Krankenhauszukunftsgesetz (2020) massiv in die digitale Ausstattung der Krankenhäuser investiert. Schritt für Schritt gewann die digitale Transformation an Fahrt – nicht zuletzt beschleunigt durch die Erfahrungen in der COVID-19-Pandemie, die z.B. Videosprechstunden schlagartig populär machten.
Wichtige Meilensteine der Gesundheits-Digitalisierung
Um den Fortschritt greifbar zu machen, lohnt ein Blick auf einige zentrale Meilensteine der letzten Jahre in Deutschland:
- 2015/16 – E-Health-Gesetz: Erstmals werden verbindliche Grundlagen für digitale Anwendungen geschaffen. Die elektronische Gesundheitskarte (eGK) wird ausgebaut und die Weichen für eRezept und ePA gestellt.
- 2018 – Telemedizin erlaubt: Das Fernbehandlungsverbot wird gelockert. Ärztinnen und Ärzte dürfen nun Patienten auch per Video beraten, was den Weg für Videosprechstunden freimacht.
- 2019 – Digitale Versorgung-Gesetz: Einführung der Digitalen Gesundheitsanwendungen (DiGA), besser bekannt als Apps auf Rezept. Krankenkassen können fortan die Kosten für bestimmte Gesundheits-Apps übernehmen, die von Ärzten verordnet werden.
- 2021 – Start der elektronischen Patientenakte: Gesetzlich Versicherte können erstmals eine ePA von ihrer Krankenkasse erhalten. Die Idee: Befunde, Arztberichte und Medikamente sollen zentral für Patienten und Behandler einsehbar sein. Allerdings war die Nutzung zunächst freiwillig – die Akzeptanz blieb anfangs gering.
- 2021 – Elektronische Krankschreibung (eAU): Die altbekannte gelbe Krankmeldung auf Papier wird schrittweise durch eine elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ersetzt. Ärzte übermitteln die Krankschreibung nun digital an die Krankenkasse, wodurch Bürokratie abgebaut wird.
- 2022 – Einführung des E-Rezepts (mit Anlaufschwierigkeiten): Das elektronische Rezept sollte das Papierrezept ablösen. Tatsächlich startete 2022 ein erster Anlauf, jedoch verzögerte sich die flächendeckende Umsetzung aufgrund technischer Probleme und Bedenken. Viele Praxen zögerten, sodass weiterhin oft das rosa Papierrezept genutzt wurde.
- 2023 – Gesetz zur Digitalisierungsbeschleunigung: Angesichts noch schleppender Fortschritte wurde im Bundestag über neue Maßnahmen beraten. Im Frühjahr 2024 trat schließlich das Digital-Gesetz in Kraft, um die Digitalisierung des Gesundheitswesens zu beschleunigen. Parallel lief eine Frist für Krankenhäuser aus: Sie mussten bis Ende 2024 geförderte Digitalisierungsprojekte abschließen, um Mittel aus dem Krankenhauszukunftsgesetz zu erhalten.
- 2024 – E-Rezept wird verpflichtend: Ab Anfang 2024 erfolgt die Verschreibung von Medikamenten ausschließlich digital, soweit möglich. Das heißt, das E-Rezept löst nun faktisch das Papierrezept ab. Patient:innen können den Rezeptcode per App einlösen oder bei Bedarf als Ausdruck mit QR-Code in der Apotheke vorlegen.
- 2025 – Die ePA für alle Versicherten: Der vielleicht größte Sprung: Seit Januar 2025 stellen alle Krankenkassen ihren Versicherten automatisch eine elektronische Patientenakte zur Verfügung. Wer dies nicht möchte, kann widersprechen – etwa 5 % der gesetzlich Versicherten haben von diesem Opt-out Gebrauch gemacht. Mitte Februar 2025 war der flächendeckende Roll-out abgeschlossen. Damit besitzen nun rund 70 Millionen Menschen in Deutschland eine ePA, in der persönliche Gesundheitsdaten wie Befunde, Röntgenbilder oder Medikationspläne sicher gespeichert werden können.
- 2025 – Digitale Meilensteine in der Versorgung: Ebenfalls 2025 wurden E-Rezepte für Betäubungsmittel wie starke Schmerzmittel eingeführt und das Verfahren zur Zulassung von Gesundheits-Apps vereinfacht. Seit 1. Januar 2025 genügt für neue DiGA ein Sicherheitszertifikat vom BSI, anstelle aufwändiger Einzelprüfungen durch das BfArM – ein Schritt, der Bürokratie abbaut und Innovation fördert. Außerdem dürfen seit März 2025 erstmals Apotheken telemedizinische Leistungen anbieten, z.B. Blutdruckmessungen via Videochat.
Diese Meilensteine zeigen eindrücklich, wie vielfältig die Digitalisierung voranschreitet – von administrativen Erleichterungen bis hin zu völlig neuen Versorgungsangeboten.
Elektronische Patientenakte – Herzstück der Vernetzung
Die elektronische Patientenakte (ePA) gilt als zentrales Element der digitalen Gesundheitsversorgung. In ihr sollen alle wichtigen Gesundheitsdaten einer Person zusammenfließen – übersichtlich, sicher und jederzeit verfügbar. Mit der flächendeckenden Einführung Anfang 2025 ist die ePA in Deutschland nun Realität. Die Krankenkassen haben bis Mitte Februar 2025 allen Versicherten, die nicht widersprochen haben, eine ePA bereitgestellt. Darin können Befunde, Arztbriefe, Impfungen, Röntgenbilder oder Medikationslisten gespeichert werden. Die Hoheit über die ePA liegt dabei beim Patienten: Nur er oder sie entscheidet, welche Ärzte oder Einrichtungen Zugriff erhalten, welche Dokumente eventuell verborgen oder gelöscht werden und ob die (anonymisierten) Daten der Forschung zur Verfügung gestellt werden. Alle Zugriffe werden protokolliert, und selbst die Krankenkasse kann ohne Erlaubnis nicht hineinschauen.
Ein Arztbesuch im digitalen Zeitalter: Immer häufiger erklären Ärzte ihren Patienten Untersuchungsergebnisse direkt am Tablet. Digitale Akten und Bilder können sofort gezeigt und besprochen werden, was die Verständlichkeit und Beteiligung der Patienten erhöht.
Die ePA verspricht greifbare Vorteile: Ärzte können schneller auf Vorbefunde zugreifen, Doppeluntersuchungen werden vermieden, und im Notfall sind wichtige Vorerkrankungen oder Allergien sofort einsehbar. Das kommt direkt dem Patientenwohl zugute und spart im System Kosten, etwa wenn unnötige Mehrfachuntersuchungen entfallen. Ein besonders großer Hebel liegt in der Nutzung der pseudonymisierten Gesundheitsdaten für Forschung und Politik. Ab Mitte 2025 sollen erstmals Datensätze aus den ePAs im neuen Forschungsdatenzentrum Gesundheit ausgewertet werden können. Dadurch erhofft man sich Erkenntnisse für eine evidenzbasierte Medizin und Gesundheitspolitik – beispielsweise bessere Informationen über den Erfolg von Therapien, Volkskrankheiten oder Versorgungsbedarf in bestimmten Regionen.
Allerdings ist die Einführung der ePA nicht ohne Hürden verlaufen. Sie wurde über zwei Jahrzehnte vorbereitet, doch erst jetzt zeigt sich im Alltag, wo es noch klemmt. In Modellregionen (z.B. Hamburg, Franken) testeten hunderte Praxen die ePA und zogen gemischte Bilanz: Grundsätzlich begrüßen viele Ärzte die langfristigen Vorteile und berichten etwa, dass eine elektronische Medikationsliste die Behandlung sofort verbessern kann. Gleichzeitig gab es technische Pannen und Sicherheitsbedenken – einige Praxisverwaltungssysteme waren noch gar nicht kompatibel, weshalb die Pflicht der Ärzte, Befunde in die ePA einzustellen, erst Anfang 2026 greifen wird. Solche Verzögerungen dämpfen die Euphorie. Auch Datenschutzbedenken in der Bevölkerung sind präsent: Nicht alle Bürger fühlen sich wohl dabei, ihre Gesundheitsdaten digital zu speichern, selbst wenn sie streng geschützt sind. Hier sollen z.B. Ombudsstellen der Krankenkassen helfen, Unsicherheiten abzubauen und digitale Bildungsangebote sicherstellen, damit insbesondere ältere oder weniger technikaffine Menschen nicht abgehängt werden.
Das Ende des Papierkrams: E-Rezept und digitale Bescheinigungen
Neben der ePA sorgen weitere digitale Neuerungen dafür, dass Zettelwirtschaft im Gesundheitswesen nach und nach verschwindet. Allen voran das E-Rezept: Seit 2024 ersetzt das elektronische Rezept das klassische Papierrezept für verschreibungspflichtige Medikamente. Ärztinnen und Ärzte stellen Rezepte nun digital aus und signieren sie elektronisch. Patient:innen erhalten einen QR-Code, den sie entweder in der E-Rezept-App auf dem Smartphone abrufen oder – falls sie kein Smartphone nutzen – als Ausdruck mit dem Code mitnehmen können. In der Apotheke wird der Code gescannt und das Medikament ausgegeben. Dieser Prozess spart Zeit und Wege: Man kann z.B. das Medikament per App bereits bei einer Apotheke vorbestellen, bevor man sich auf den Weg dorthin begibt. Auch Folgerezepte für Dauermedikamente lassen sich so bequemer handhaben.
Die Einführung des E-Rezepts verlief allerdings holprig. Ursprünglich schon 2022 geplant, kam es zu technischen Problemen und Widerständen, sodass die flächendeckende Pflicht erst Anfang 2024 kam. Inzwischen werden aber selbst sensible Betäubungsmittel-Rezepte elektronisch verarbeitet – seit Juli 2025 können beispielsweise starke Schmerzmittel (Opioide) digital verschrieben und eingelöst werden. Parallel dazu wurde auch die Krankschreibung vollständig digitalisiert: Schon seit 2021 melden Arztpraxen die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung elektronisch an die Krankenkasse, seit 2023 entfällt für gesetzlich Versicherte sogar der Ausdruck für den Arbeitgeber. Dieser ruft die Krankmeldung direkt von der Kasse ab. Das entlastet Patient:innen, die sich im Krankheitsfall nicht mehr um den Papierkram kümmern müssen.
Apps und Telemedizin: Behandlung wird flexibel
Einen besonders spürbaren Wandel erleben viele Menschen durch digitale Gesundheitsanwendungen und Telemedizin. Seit Oktober 2020 können Ärzte Apps auf Rezept verordnen – etwa Tagebuch-Apps für Diabetiker, digitale Coachings bei Depressionen oder Rückentraining-Apps. Diese als DiGA bekannten Anwendungen werden von den Krankenkassen bezahlt und unterstützen die Therapie. Zwar gibt es bislang nur rund 30 zugelassene Apps (Schwerpunkt Psychotherapie), doch das Angebot wächst und die Nutzungszahlen ziehen an. Damit eröffnen sich neue Möglichkeiten: Patient:innen können per App zu Hause Übungen machen, Daten an den Arzt schicken oder Erinnerungen für die Medikamenteneinnahme erhalten.
Auch die Telemedizin ist inzwischen in der breiten Versorgung angekommen. Was vor einigen Jahren als Pilotprojekt begann, wurde durch die Pandemie geradezu normal: Fast jede Praxis bietet heute die Möglichkeit einer Videosprechstunde an. Per Laptop oder Smartphone können sich Ärztin und Patient sehen und besprechen, was in vielen Fällen den Praxisbesuch ersetzt – etwa für Befundbesprechungen, Verlaufskontrollen oder Arzt-Patient-Gespräche ohne körperliche Untersuchung. So sparen sich gerade Menschen in ländlichen Regionen lange Wege. Dennoch nutzen bislang nur etwa 25 % der Praxen Videosprechstunden wirklich regelmäßig. Hier zeigt sich: Nicht alle Ärzt:innen haben die neuen Formate in ihren Alltag integriert, trotz erwiesener Vorteile.
Über Videos hinaus gewinnt Telemonitoring an Bedeutung – also die Fernüberwachung von Gesundheitswerten. Bei Herzpatienten etwa können implantierte Sensoren oder Blutdruckmessgeräte zuhause regelmäßig Daten senden, die von der Klinik überwacht werden. So kann frühzeitig reagiert werden, wenn Werte schlechter werden. Die Krankenkassen bezahlen Telemonitoring inzwischen z.B. für bestimmte Herzinsuffizienz-Patienten. Ergänzend dürfen seit 2025 sogar Apotheken telemedizinisch aktiv werden: Eine neue Regel erlaubt es Apotheken, telemedizinisch assistierte Leistungen anzubieten, etwa die Blutdruckmessung oder Beratung via Videochat. Dies erweitert das Netzwerk der Versorgung und zeigt, dass digitale Medizin nicht nur in Arztpraxen stattfindet.
Digitalisierung in Klinik und Pflege
Nicht nur in der ambulanten Versorgung, auch in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen schreitet die Digitalisierung voran. Mit dem Krankenhauszukunftsgesetz (KHZG) stellt der Bund seit 2021 rund 4,3 Milliarden Euro bereit, um Kliniken technisch aufzurüsten. Die Gelder fließen in moderne Notaufnahmen, digitale Dokumentationssysteme, elektronische Medikationspläne und eine bessere IT-Sicherheit in Krankenhäusern. Eine aktuelle Evaluierung des Ministeriums zeigt messbare Fortschritte: Viele Kliniken haben in den letzten Jahren ihre digitale Reife verbessern können. Beispielsweise werden Patientendaten heute in vielen Häusern elektronisch erfasst und stehen den Behandlern im Haus schneller zur Verfügung, was Abläufe effizienter macht. Auch die Entlassung läuft digitaler ab – Entlassbriefe und Medikationspläne können elektronisch an weiterbehandelnde Ärzte übermittelt werden, damit die Anschlussversorgung reibungslos klappt.
Im Pflegebereich sind die Herausforderungen ähnlich groß, denn auch hier soll Digitalisierung Personal entlasten und Qualität steigern. 2025 ging ein eigenes Kompetenzzentrum Digitalisierung in der Pflege an den Start. Zudem fördern Bund und Länder Pilotprojekte, z.B. für digitale Pflegedokumentation oder Assistenzsysteme im Pflegeheim. So können Tablet-Apps die Pflegedokumentation erleichtern oder Sensoren Stürze von Bewohnern melden. Gerade vor dem Hintergrund des demografischen Wandels – immer mehr Pflegebedürftige, aber weniger Pflegekräfte – gilt die Devise, ohne Digitalisierung geht es nicht. Automatisierung und technische Assistenz sollen dem Personal mehr Zeit für die eigentliche menschliche Zuwendung verschaffen.
Europäische Perspektive: Der Gesundheitsdatenraum
Digitalisierung macht nicht an Ländergrenzen halt. Auf EU-Ebene wird daher der Europäische Gesundheitsdatenraum (European Health Data Space, EHDS) vorangetrieben. Im März 2025 ist die entsprechende EU-Verordnung in Kraft getreten. Sie soll sicherstellen, dass künftig Gesundheitsdaten grenzüberschreitend verfügbar sind – sowohl für die Behandlung von Patient:innen im Urlaub oder Ausland (Primärnutzung) als auch für Forschung und Politikplanung (Sekundärnutzung). Geplant ist eine gemeinsame digitale Infrastruktur aller EU-Staaten. Bis 2027 sollen zunächst nationale Gesundheitsdatenstellen und Schnittstellen aufgebaut werden. Ab 2029 startet der Austausch erster Datensätze zwischen den Ländern, z.B. Patientenzusammenfassungen oder E-Rezepte. In den frühen 2030ern sollen dann auch bildgebende Verfahren, Laborwerte und andere medizinische Daten folgen. Das volle Netzwerk HealthData@EU soll bis 2034 stehen. Für Bürgerinnen und Bürger könnte dies bedeuten, dass ein deutsches eRezept auch in Spanien eingelöst werden kann oder ein französischer Arzt die Patientenakte eines deutschen Touristen im Notfall lesen darf – natürlich nur mit Zustimmung und unter Wahrung hoher Datenschutzstandards.
Chancen durch Daten und KI
Die fortschreitende Digitalisierung eröffnet enorme Chancen, insbesondere durch künstliche Intelligenz (KI) und Datenanalyse. Schon heute kommen KI-Systeme zum Einsatz, etwa um Röntgenbilder oder MRT-Aufnahmen schneller und präzise auszuwerten. In der Diagnostik können Algorithmen Muster erkennen, die dem menschlichen Auge entgehen, und so z.B. Hautkrebs in frühen Stadien identifizieren. Solche KI-gestützten Diagnosen und prädiktiven Analysen werden derzeit in vielen Kliniken erprobt. Auch bei organisatorischen Abläufen hilft KI – etwa bei der automatischen Terminvereinbarung oder dem Sortieren von Befunden.
Ein futuristisch anmutender Trend sind Digital Twins, also digitale Zwillinge von Patient:innen. Dabei wird auf Basis individueller Gesundheitsdaten ein virtuelles Modell eines Menschen erstellt, um verschiedene Behandlungsoptionen im Modell durchzuspielen. In ersten Pilotprojekten – etwa in der Onkologie – wird untersucht, ob man so personalisierte Therapien besser planen kann. Langfristig könnte dies die 4P-Medizin (prädiktiv, präventiv, personalisiert, partizipativ) voranbringen.
Im Gesundheitswesen schlummern auch enorme Datenmengen, die für Forschung und Versorgung genutzt werden können. Stichwort Big Data: Wenn Millionen von Gesundheitsakten analysiert werden, lassen sich z.B. Zusammenhänge zwischen Lebensstil und Krankheit erkennen, oder Wirkungen von Medikamenten in der Breite besser beurteilen. Die ePA spielt hier eine entscheidende Rolle, denn sie könnte diese Daten – anonymisiert – zur Verfügung stellen. Noch steht man am Anfang, aber die Perspektive ist klar: Daten helfen heilen.
Natürlich gehen mit den Chancen auch Risiken einher. Datenschutz bleibt das A und O, gerade bei zentral gespeicherten Gesundheitsdaten. Jeder medizinische Datenskandal würde das Vertrauen erschüttern, daher sind die Sicherheitsanforderungen extrem hoch. Außerdem darf die digitale Spaltung nicht größer werden: Ältere oder wenig technikaffine Menschen dürfen nicht abgehängt werden. Hier sind Schulungen und leicht bedienbare Lösungen gefragt, um alle mitzunehmen. Auch der technische Aufwand ist erheblich – von der Anschaffung teurer IT-Systeme bis zur Wartung und möglichen Systemausfällen. Das Personal muss im Umgang mit neuen Tools geschult werden, was Zeit und Ressourcen erfordert. Dennoch überwiegen aus Sicht der meisten Expert:innen die Vorteile: Mehr Effizienz, bessere Qualität der Versorgung, individualisierte Therapien und Entlastung für Ärzte und Pflegepersonal.
Fazit: Ein Gesundheitswesen im Wandel
Die Digitalisierung des Gesundheitswesens in Deutschland schreitet Stück für Stück voran – mal in kleinen Schritten, mal mit großen Sprüngen. Bis 2025 wurden wichtige Grundlagen gelegt: Patientenakten, Rezepte und Krankschreibungen sind digital verfügbar, Apps und Telemedizin erweitern die Behandlungsmöglichkeiten, Krankenhäuser und Praxen rüsten technisch auf. Die Richtung ist klar und alternativlos, denn nur so lässt sich die Versorgung einer älter werdenden Gesellschaft mit begrenztem Personal sichern.
Gleichzeitig darf man nicht erwarten, dass über Nacht alles digital perfekt funktioniert. Vieles befindet sich noch im Aufbau, und in mancher Arztpraxis sind Fax und Papier noch immer im Gebrauch. Die Kultur des Gesundheitswesens wandelt sich langsamer als die Technologie – viele Abläufe müssen sich erst einspielen, Vertrauen aufgebaut und digitale Kompetenz bei allen Beteiligten gestärkt werden. Doch der Trend ist unumkehrbar: Vom Labor bis ins Wohnzimmer der Patienten wird die Medizin durch digitale Helfer ergänzt.
Das Gesundheitswesen wird durch die Digitalisierung transparenter, vernetzter und patientenfreundlicher – wenn wir die bestehenden Herausforderungen meistern. Schon heute profitieren Patientinnen und Patienten von schnelleren Informationen und neuen Therapiewegen. Und mit jedem weiteren Stück, das digitalisiert wird, rückt das Ziel näher: Eine Gesundheitsversorgung, die im 21. Jahrhundert ankommt und dabei den Menschen stets in den Mittelpunkt stellt.



